Ich bin meine eigene Punkbewegung
Wenn es stimmt, was Greil Marcus in seinem Buch Im faschistischen Badezimmer schreibt, und das "Verlangen von Leuten, etwas, das sie nicht können, trotzdem zu tun" wirklich das ist, was den "eigentlichen Kern des Punk als Gattung" ausmacht, dann wird niemand, der die Songs von Bernhard Kübler kennt, daran zweifeln, daß es sich bei dieser Musik um Punk handelt. Daß er Anarchy In the U.K. und California Über Alles nachspielt, bestätigt nur oberflächlich, was man seiner Spielweise und seinem Bühnenverhalten deutlich genug ansieht und -hört. Kübler tritt seit knapp drei Jahren immer wieder live in Augsburg auf, meistens mit den einfachsten Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen, nämlich Stimme und Akustikgitarre - oft ist sogar ein Mikrofon schon zuviel Aufwand für jemanden, der nicht selten, bevor er ein Lied spielt, ankündigt, daß er mit Sicherheit falsch spielen werde, weil er nicht zum Üben gekommen sei, dafür aber, obwohl er das nicht kann, vielleicht ein mehrminütiges 'Gitarrensolo' zur Überbrückung spielen müsse, weil ihm der Text nicht mehr einfällt. In diesem offen zur Schau gestellten Desinteresse an dem, was uns viele unplugged klampfende Kitscher immer noch als einzige künstlerische Leistung oder musikalische Schönheit verkaufen wollen, zeigt sich jene Punk-Haltung, die sich weigert, ihre Songs mit ihren Aussagen und Forderungen für sich zu behalten, bloß weil diese in der gängigen Vorstellung von (in diesem Fall: akustischer) Popmusik nicht vorkommen - und die sich deshalb außerhalb dieser Vorstellungen und gegen sie äußert: Wenn Punk Sabotage am Rock'n'Roll war, ist Bernhard Kübler Sabotage am kunstgewerblichen MTV-Liedermacher.