Reflektiertes Pathos oder: This singer shall live for the glee in his voice
Wolfgang Wiesbauer: Scrapyard Music (CD, Niesom 005, 2003)
Vertrieb: Trost
Es gibt ja Platten, die sind so schön, dass man sich die Pulsadern aufschneiden möchte.
Und dann gibt es Platten, die so schön sind, dass man sich nach der ersten Hälfte die Pulsadern aufschneiden möchte, es aber nach dem letzten Stück sein lässt, weil man die Platte nochmal hören möchte.
Wolfgang Wiesbauers erstes Album Scrapyard Music gehört in die zweite Kategorie. Auf dem Cover sieht er aus wie der junge Momus, und auf Money Monkeys klingt er auch so, wenn er seinen Text über einen Krypto-Drum-and-Bass-Beat flüstert, der mit einem opulenten Synthesizer-Arrangement orchestriert ist. Wolfgang Wiesbauers Tracks verbinden die Geräuschmusiktendenzen der Post-Cuts-&-Clicks-Ära (am extremsten in Breakfast at 4 a.m.) mit einer (auch historisch) breit gefächerten Palette elektronischer Keyboardsounds - vom Spielzeugsound über die Bontempi-Hammond bis hin zu breitwandformatigen 80er-Synthesizern. Seine virtuose Zusammenfügung von krachigen und harmonietrunkenen Elementen in seinen Kompositionen ist für mich nur vergleichbar mit der souveränen Art, wie von Leuten wie Franco Battiato in den 80ern in Italien Platten produziert werden - übrigens auch im Hinblick auf den oft eher kunstliedhaften als songartigen Aufbau vieler Stücke.
Doch wenn man nach Einflüssen suchen will, muss man die Platte wohl als einen - extrem gelungenen - Versuch begreifen, wesentliche Elemente von Leonard Cohens Werk in der elektronischen Pop-Gegenwart fruchtbar zu machen (was Wiesbauers Platte dann wirklich mit bestimmten Momus-Produktionen verbindet, obwohl man sie auch als Kreuzung aus Onq und Bantu Mantra beschreiben könnte). Das zeigt sich in Songstrukturen, Gesangsstil und Produktionsdetails und ganz wesentlich in einer bestimmten Haltung, die die ganze Platte prägt: Es ist ja schon eine traurige Platte (siehe oben). Aber die Musik, die hier aus "selbstverliebter Niedergeschlagenheit" (Presseinfo) gemacht wird, ist nicht Mittel zur Vertiefung derselben durch unreflektiertes Pathos (sich im Elend suhlen), sondern schafft es dank ihrer sarkastischen Texte und ihres letztlich doch spielerischen Umgangs mit den musikalischen Chiffren angeblich unauslotbaren Leidens (man höre etwa auch Foolish Tune im Kontext mit Daniel Johnston), sich und den Hörer am eigenen Klang aus dem Sumpf zu ziehen, ohne sich dabei aber ihrer Ernsthaftigkeit zu begeben - als Beleg sei das nichts weniger als herzzerreißende Instrumental (Track Number Twelve) angeführt.