Mini-Moog vs Maxi-Rock

DUC: Durch die Nacht (CD, Elfenart Records 2004, 10 Euro zzgl. Porto)
Der Kopflose Börsenmakler/Pornoheft: Halb & halb (CD, Empty Head Records 2004)
Ilse Lau: de tinnen mannen (CD, Fidel Bastro FB 33, 2004)

Auf dem Cover der aktuellen CD von DUC sieht man eine nächtliche Autobahn aus Fahrerperspektive, ziemlich unscharf fotografiert. Der Höreindruck der Platte ist ähnlich. Nicht unscharf, nein, sehr klar und kompakt, technisch perfekt - aber gerade, umweglos und schnell - so schnell, dass die Texte in all ihrer Ambitioniertheit einfach nicht mehr richtig drauf gesungen werden können, was unfreiwillig komisch wirkt: wer Kompliziertes zu sagen hat, sollte sich einer anderen Sprechform bedienen, wer dagegen Punkrock spielen will, macht halt besser Texte wie die Ramones - schnell wie eine Autobahnfahrt brettert diese Punkrockscheibe ihrem Ziel entgegen, und wie das mit Autobahnen in der Nacht so ist, bleiben wenige Eindrücke von der Fahrt zurück - außer einem nicht unangenehmen Flirren, das an manchen Stellen der Platte einsetzt, wenn die Gitarren bis zu maximaler Dichte aufgetragen werden und die Akkorde selten wechseln.

Auch auf dem vierten Album von Ilse Lau flirrt es manchmal, wenn ein musikalisches Element, eine Gitarrenfigur, ein Geräusch, so oft in sich steigernder Intensität wiederholt wurde, dass es eine Art Eigenleben zu gewinnen scheint - da hört man quasi den improvisatorischen Kompositionsprozess. Dass hier keine Schallschutzwände aus Betongitarren aufgebaut werden, sondern weit vielfältigeres Instrumentarium zum Einsatz kommt, und dass die CD auf eine Weise groovt, die rhythmisch weit komplexer ist als das, was man gemeinhin Rock nennt, versteht sich bei Ilse Lau mittlerweile von selbst. Was die Platte von so vielen anderen unterscheidet, möchte ich daher anders auf den Punkt bringen: Hier ist der Weg das Ziel bzw. der Umweg Methode. Die Stücke basieren durchaus auf klar abgrenzbaren Riffs, aber daraus leitet sich keineswegs zwingend ein Songschema ab. Daraus leitet sich überhaupt kein Schema ab, sondern eine Entdeckungsreise, deren Ende am Anfang nicht absehbar ist, die aber keineswegs in Beliebigkeit endet. Das hat was ungeheuer Befreiendes, und wenn man die Platte mit der eingangs erwähnten vergleicht, beschleicht einen die Befürchtung, dass Punkrock heute selbst der Rockdinosaurier ist, gegen den er ursprünglich einmal angetreten war.

Interessant in diesem Zusammenhang die Split-CD von Der Kopflose Börsenmakler und Pornoheft, die die ganze Tradition Punkrock-assoziierter Peinlichkeiten ja schon in ihren Bandnamen zitieren und auf ihrer CD zerlegen: Die Bands covern sich gegenseitig (nur ja keine Originalität! ;-)) mit je vier Stücken, die meist jegliche Erinnerung an das Original tilgen, Texte mit voller Absicht (anders als bei DUC!) unverständlich intonieren und klanglich nicht an Punkrock, sondern an Früh-80er-Dilettantismus à la Tödliche Doris erinnern. Das führt zu trashigen Collage-Stücken, die in ihrer assoziativen Sprunghaftigkeit eher dem musikalischen Ansatz von Impro-Muckern wie Ilse Lau ähneln als dem einer amtlichen Punkband, jedoch ist seit Verschwende deine Jugend auch der Sound des experimentellen Aufbruchs in seiner hier zitierten Billigsoundversion vor dem sentimentalen Klischee nicht mehr gefeit, weshalb er durch fetischistische Besetzungslisten auch gleich mit (selbst-)ironisiert wird. So werden auf einem Track u.a. "gefüllter Koffer mit offenem Verschluss, 2 Klangstäbe, Heizlüfter, Pappe, Handfurz und Rotzen" sowie "Gesang, Knäckebrot, e-Drum, Drums, Kazoo durch Beatmungstubus, ME-5" eingesetzt. Dagegen waren schon die frühen Einstürzenden Neubauten natürlich akademische Schöngeister, und ein konzeptkünstlerisches Kabinettstückchen wie das von der Verpackung der Pfanni-Fertigkloßmarke "Halb und halb" zitierte Cover haben die auch nie hinbekommen. Nur sind konzeptkünstlerische Kabinettstückchen halt leider oft der Beleg, dass eine Kunstform am Ende ihrer Entwicklung ist. Genau das führt uns diese CD mit recht sarkastischem Humor vor.

Fazit: Punk ist nicht tot, sondern ein Fertiggericht. Und Fertiggerichte sollte man nur einmal aufwärmen. Denn keiner will se. Lieber mal was Leckeres aus frischen Zutaten kochen, wie Ilse Bilse. Kam der Koch, nahm sie doch. Für Lau.

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