Dass das Schaffen des dynamischen Bassmusik-Duos Deep und die Aktivitäten von Dhyana Records, dem Label von "Halfdeep" Bernd Spring, zu den Eckpfeilern des musikalischen Weltbildes von gebrauchtemusik gehören, ist regelmäßigen Lesern dieser Seiten ja nichts Neues. Neues aber gibt es von Deep, in einem in mehrerer Hinsicht ungewöhnlichen Format: Zwei Mini-CDs, die jeweils randvoll sind mit einem 21-minütigen Stück. Weniger karg als die Titel down und hill ist die labelüblich liebevolle Verpackung in eine Fotostrecke mit Mountainbikes (von bösen Zungen ja sowieso schon immer "Bergabfahrräder" genannt) inklusive aufs Cover getackertem Stück abgefahrenem Reifenprofil, komplett mit Erde in den Ritzen, versteht sich. Erdig indes kann man die Musik nicht nennen, sie führt eher in die Tiefsee, nimmt einen auf Tauchfahrt, stellt die Zeit still und bringt einen danach wieder zurück ("One day I'll reach the surface" lautet eine der wenigen verständlichen Textzeilen), aber nicht ohne Spuren zu hinterlassen. Was die Intensität des Sounds angeht, haben Deep mit diesen Maximaltracks vielleicht alle ihre bisherigen Veröffentlichungen noch übertroffen.
Diesmal unter völligem Verzicht auf wenn auch noch so abstrakte Beats, "nur" mit zwei gespielten, gestrichenen, effektmanipulierten, zerrissenen Bässen und flächig wabernden Ambientcollagen im Hintergrund und erstmals zweistimmigen Gesang bauen Deep immense Spannungsfelder auf. Hier gelingt es erstaunlicherweise, die eigentlich durch inflationäre Verwendung definitiv ins Reich des Kitsches abgeschriebenen Ambient-O-Ton-Zutaten Wasserrauschen und Vogelzwitschern (!) durch die Einbettung in melancholisch-hypnotische Bassflächen zu erlösen. Derlei ruhige Passagen sind Ausgangs- und Zielpunkt für das Errichten und dann wieder Sprengen eines immensen Wall of Sound, durch den man aber hindurchgehen kann und dabei seltsame Stimmen zu hören meint: Ist das die Stimme von Neil Young? Von Robert Smith? Oder doch von Bernd Spring? Vielleicht bildet man sich die ersten beiden nur ein, weil man diese Musik als eine hochenergetische Mischung aus Disintegration von Cure und Cortez the Killer von Neil Young beschreiben könnte. Wäre allerdings ein sehr hinkender Vergleich, ebenso wie es halt nur in einem sehr abstrakten Sinn stimmt, dass die beiden Stücke die Struktur eines Godspeed!-You-Black-Emperor-Stücks mit dem Sound von Sonic Youth mischen. Abstrakt jedoch ist hier gar nichts. Das ist Musik für alle Körperfasern. Musik, die Rätsel aufgibt, aber einen jedenfalls zum Schweben bringt. Ein großer Wurf. Ein tiefer Tauch.
Während Deep daran arbeiten, eingefleischte Fans des kompakten Song-Formats zu den Reizen frei fließender musikalischer Energien zu bekehren (und sie machen es verdammt gut), überraschen die fünf Tracks von Dhyanas Promo 2003-CD mit dem songlastigsten Dhyana-Programm seit Ewigkeiten. So gut wie keine Elektronik, dafür massenhafter Gitarreneinsatz. In Form von knackigem Indiepop von den Beautiful New Börn Children, sortenreinem Country von Derek DePrator, ultramildem Will-Oldham-artigem Balladentum von Thomas O. Huber (nicht aus Irland, sondern aus Salzburg), sowie dem bereits bekannten Country-Blues-Trash der 3 Shades of Blues. Westernhero stehen mit einer Art Ambient-Country-Mutation stellvertretend für die 50 Beiträge des Jubiläums-Samplers DHY050: eine LP, auf der sich 50 kurze Mono-Tracks jeweils auf den linken und den rechten Stereokanal einer Plattenseite verteilen. So beweist Dhyana Records mit den bevorstehenden Releases nicht nur, dass auch im Songformat noch intelligentes Leben möglich ist, sondern schreibt auch ein neues Unterkapitel in der Geschichte der Vinyl-Schallplatte. "Das wird ganz schön aufwendig", sagt Bernd H. Spring. Aber wenn es das nicht wäre, wäre es auch nicht Dhyana. Denn das H. steht bekanntlich für Herzblut. Keep on kraching in der fiesen Welt, und vielen Dank dafür!