Musik, gut abgehangen
Ich war 24, als ich mein erstes Tape von jesus jackson und die grenzlandreiter bekam. Ich holte es auf der Post im mittelfränkischen Schnaittach ab. Es war wie damals in den 60er Jahren, als sich Musikfans in der Provinz ihre Platten per Post direkt aus England oder aus den Staaten kommen ließen. Voller Stolz und in unbändiger Vorfreude fuhr ich mit meinem Mofa nach Hause. Ich hatte seitdem nie mehr so den Wunsch, ein tragbares Kassettenabspielgerät zu besitzen. Als ich zu Hause ankam, hielt ich meinem kleinen Bruder nur die Kassette vors Gesicht und tat geheimnisvoll. Dann endlich legte ich sie ein. In einem Prager Atelier, das ich zwei Monate lang bewohnte, hatte die Malerin einen Spruch an die Wand geschrieben: svetlo není, svetlo se deje stand da. Licht ist nicht, Licht ereignet sich, oder Licht passiert. Mir fällt dieser Spruch ein, weil für mich das gleiche für die hudba (tschech. 'Musik') von jesus jackson und die grenzlandreiter zutrifft. Diese Hausmusikgruppe vermittelt der geneigten Hörerin tatsächlich auch beim x-ten Mal Hören, auch auf Konserve das Gefühl, dass Musik passiert. Wer schon einmal an einem staden Herbstabend in der Großstadt "herbstabend a.d. land" gehört hat, wie die Stimme von jesus jackson sich aufschwingt um das Hohelied der Melancholie zu singen, dazu das unsagbare Intro von Mathias Huber (er kann sich meist nach einer Aufnahme nicht mehr erinnern, wie er das gemacht hat, das macht die wahren Performing Artists aus) und wer die zurückhaltende Heimorgel von Gerald Fiebig gehört hat, die sich so rührend zurückhaltend in die spaces legt - der Mensch weiss, wovon ich rede. Lyotard fragt: welchem Raum misstraut Cézanne? Für mich heisst eine weitere Frage: welchem Sound misstraut jesus jackson und die grenzlandreiter. So selbstsicher wie Lyotard kann ich meine Frage nicht beantworten, aber ich habe das Gefühl, sie misstrauen dem Sound von Tocotronic und Diskursrock, dem Alternative to Alternative-Geprahle der In-Crowd. Sie sind da... Tak, hudbu!
Felix Wenzel