Zwischen Randale und Malaise
Lehmann: Randalaise?! (CD-R, Randalaise Aufnahmen 2002)
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Lehmanns neue CD setzt den Ansatz des Vorgängers Schüttel deine Welt! Haha. konsequent fort - sowohl thematisch wie musikalisch, wobei in musikalischer Hinsicht sich noch mehr getan hat. Die stilistische Zitierfreudigkeit feiert nach wie vor fröhliche Urständ - und eben nicht Ursprünge - , aber die Songs wirken trotzdem völlig kompakt. Westcoast-Sound und Schweinerock-Gitarrensoli fügen sich hier zwanglos zusammen, Cliffhanger ist wieder ein schönes Elektropop-Einsprengsel, und auch nahezu countrysongartiges Material ist hier gelungen. Auch Neil Young lässt sowas von grüßen, speziell in Er, mir und dir, und das ist gut so! Musikalisch mein Favorit auf diesem Album, würde ich sagen. Und mit dem Intro-Song Randalaise ist Lehmann das einzige mir bekannte Stück Pop gelungen, in dem ein Didgeridoo (!) nicht voll peinlich ist, sondern musikalisch Sinn macht, nämlich als Geräusch.
Inhaltlich zelebrieren die Lieder ein Leben in der Schwebe zwischen Langzeitstudium und Langzeitarbeitslosigkeit, plädieren für das Hinausschieben des Zeitpunktes, an dem man sich mutmaßlich endgültig in die Strukturen "des Systems" begibt, das aktiv zu bekämpfen man allerdings keine Möglichkeit sieht bzw. bei aller Skepsis dann doch keine Lust hat: "das ist Kunst Mann / fassungslos sind wir / und bis hinauf zum Arsch gerührt / wir gehen studieren / und haben Angst uns zu verlieren / aus irgendeinem schmalen Grund / der uns nicht einleuchten tut".
Das Highlight ist in inhaltlicher Hinsicht sicherlich Ich auch (vielleicht), weil es die inneren Widersprüche dieser Haltung, die Zweifel daran offenlegt und aufzeigt, dass der widerständige Gehalt dieser Haltung sich durch den ersten gutbezahlten Job dann doch sehr schnell verflüchtigen könnte: "im Moment will ich frei sein nur als Betrachter dabei sein und ich will mich der Welt freuen in meiner Larmoyanz [...] ich glaub nicht an das Zeug das ich singe ich appellier an eure Gutgläubigkeit denn eigentlich will ich ein Held sein ich will her hinterm Geld sein."
Lehmann gibt keine griffigen Pop-Parolen aus, die sich dann selbst mit einer politischen Haltung verwechseln. Er thematisiert, wie auch schon in dem regionalen Szene-Hit Hastemanemark vom 2001er-Album, das Problem, zwischen 68er-Nostalgie, Cobain-Nostalgie und der eigenen Faulheit zu einer Haltung zu finden, die sich weder in einem empahtischen "Ja!" noch in einem schlappen, folgenlosen "Äh... nein" führt. Das macht seine Songs trotz aller musikalischen Eingängigkeit in einem guten Sinne sperrig. In dem bereits erwähnten Er, mir und dir, das vielleicht aus genau diesem Grund am Ende der CD in einer anderen Version drauf ist und mir beim zweiten Hören noch besser gefällt, hat er im Rahmen eines Liebesliedes formuliert, worum es eigentlich bei all dem zu gehen hat: "ich hab die Lust auf Faulheit verloren [...] wir werden ganz bestimmt ein anderes Leben führen". Das ist eine echte Pop-Hymne - der Neil-Young-Vergleich ist mehr als eingelöst.

gebrauchtemusik
Hier wird Lehmanns CD "Schüttel deine Welt! Haha." von 2001 besprochen.

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