Versuche, Literatur mit Musik zu verbinden, Teil 451: Mirco Buchwitz schreibt Texte und hat offenbar schon jede Menge Bühnenerfahrung im freien Vortrag dieser Texte gesammelt, v.a. im Umfeld von Social-Beat-Events und Poetry Slams. Dass er zu den wenigen Autoren gehört, die ihre Texte nicht nur souverän, sondern auch schlüssig selbst vortragen können und in die Erarbeitung eines gescheiten Vortragskonzepts wahrscheinlich ebensoviel Zeit investiert wie in das Schreiben der Texte, hört man dieser CD auf jeden Fall an - womit die Frage, warum er überhaupt ein Hör- und kein Lesebuch veröffentlicht, sich bereits von selbst beantwortet hätte.
Mirco Buchwitz spielt aber auch Bass und Gitarre und alles andere in dem digitalen Homerecording-Projekt Albert Siebener Ensemble. Dass er auf der CD mehr Texte mit Musik unterlegt als bei Live-Auftritten, hat wohl - wie bei vielen vergleichbaren Projekten - damit zu tun, dass er der Aufmerksamkeitsspanne eines eher musik- als literaturgewohnten Publikums misstraut. Einen ästhetisch zwingenden Bezug der Texte auf die im Hintergrund laufenden Loops gibt es nicht - aber gut: ich habe mir die CD bis zum Schluss angehört, obwohl ich die meisten der monologischen Texte zu sehr von sattsam bekannten Off-Klischees (auf LSD durch die Stadt laufen und sich Weltenformeln ausdenken usw.) geprägt und mithin trotz des guten Vortrags eher langweilig fand. Kann sein, dass die Musik mich zum Dranbleiben bewogen hat - da fehlt mir jetzt der Vergleich.
Die hinterlegten Tracks, pendelnd zwischen Barjazz und radiokompatiblen Triphop-Versatzstücken, würden ohne den Vorwand der Texte jedoch schnell langweilig. Die große Ausnahme und das eindeutige musikalische Highlight der CD ist der letzte Track: Vom Regen ins Taxi / 4.56 Uhr am Morgen (Ohne Worte). Die im Titel beschworene Atmosphäre ist nachvollziehbar, und weitere - gesprochene - Worte würden da nur stören.
Umgekehrt finde ich von den Texten diejenigen am besten, die ohne Musikbegleitung auskommen: die jeweils etwa viertelstündigen Mini-Dramen Respekt vor dem Alter und Tägl. 18.30 - Super Sat - Jakob am Abend. Während ersteres eine groteske Parabel auf das Thema Gewalt und Unterwerfung ist - ein Mann wird von einem Jugendlichen mit einem Gewehr bedroht, und aus dieser Situation heraus ergibt sich das Gespräch - , ist das zweite Stück, der Titel deutet es bereits an, eine Parodie auf die Auswüchse des Talkshow-Unwesens (der Titel dieser Rezension ist übrigens ein Zitat des ersten Talkgastes, "Puderluder" Jeannette).
Ionesco meets Max Goldt meets Helge Schneider, möchte man sagen, und selbst wer solche Vergleiche zu hoch gegriffen findet, muss zugeben, dass der Performer Mirco Buchwitz in diesen Stücken, wo er z.T. fünf Rollen spricht, zur Bestform aufläuft. Sogar wenn ein Gag mal daneben geht, sorgt die Verschrobenheit der Stimmen für einige herzhafte Lacher. Buchwitz live zu sehen, wie er auf der Bühne eine Stimme spricht und in der Luft schauspielert, während die anderen vom Playback kommen, muss ein echtes Highlight sein.
Mehr von diesen skurrilen Dialogen hätten allerdings auch der CD gut getan. Dafür hätte man auf die Muzak-Monologe dann gerne verzichtet.
Mirco Buchwitz kann per E-Mail für Auftritte gebucht werden. Am 10. Oktober 2000 um 21Uhr tritt er in Hannover auf dem Faust Gelände im SIESTA auf.