Unser altes Grundig und die Schlümpfe
Irgendwo in unserem Kinderzimmer gab es eine Ecke, da stand einmal ein altes Tonbandgerät, die Marke, war, glaube ich, ein Grundig.
Ein portables Teil, zumindest, was man damals als portable bezeichnete, es war hell- und dunkelgrau und alles erschien mir damals rund, es gab keine Ecken im Sinne einer Ecke, rundherum war ein goldenes Band, der Griff aus geriffeltem Plastik. Und da gab es schon eine Menge von Tonbändern mit Aufnahmen des Sonntagsweckers.
Mmh. Mmh. Mmh. (Wie soll man das in Buchstaben wiedergeben?) Die ersten Sachen von Pumuckl liefen im Radio. Mein Vater hatte sie für meinen Bruder und mich aufgenommen, jetzt frage ich mich allerdings, wie er es eigentlich gemacht hatte, vielleicht durch das Micro, das mir Jahre später einmal auffiel, mit den ausklappbaren Beinchen zum Stehen, die Form wohl eher einer Schachtel ähnelnd als den heutigen runden Dingern, die Kabel überzogen mit einem braunen stoffähnlichen Etwas. Na ja, auf jeden Fall war unser Tonbandgerät eine Attraktion, mit den Bändern von BASF mit den roten Etiketten, die keine Beschriftung hatten, die aussahen wie kleine Räder mit Speichen, und sich hervorragend dazu eigneten, Schlümpfe darauf zu stellen und ihnen zuzusehen, wie sich drehten. Die beim Spulen in die Ecke flogen. Die Bänder, die, am Ende angekommen, ein Klack-Klack von sich gaben.
In erster Linie lief also Pumuckl, und auf einigen wenigen Bändern gab es auch Musik, ein Band hatte eine Anzahl von Rock'-n’-Roll-Stücken drauf, damals interessierte es mich nicht, wer da sang oder auch was, so war, glaube ich mein erstes Lieblingslied "Rock around the clock" (Bill Haley) oder "Stupid cupid" (Connie Francis). Heute höre ich diese Lieder noch zum Putzen. Viel später habe ich dann entdeckt, wer sie eigentlich sang. Außerdem gab es da auch ein Band mit Jethro Tull, diese Erkenntnis hatte ich dann irgendwann einmal im Clubhaus eines Bikerclubs. Und da gab es noch dieses Lied mit dem Babysitter, na ja, alles ein verworrener Brei an Erinnerungen.
Jetzt, wenn ich das Radio anmache, dann komme ich mir vor, als ob jemand die Uhr in meine Jugend zurückgedreht hat, es fehlt nur noch, daß jemand Markus rausholt (glaube, es war Markus) und "Verliebte Jungs" spielt. Manchmal frage ich mich, ob die heutige Zeit wirklich nichts mehr zu bieten hat als die Wiederholung, oder kann man mit der Wiederholung Neues besser an den Mann bringen? Ja, ich höre Nena und komme mir vor, als ob ich gerade meine erste Platte von Nena zum Geburtstag bekomme und meine große Liebe vom Urlaub nach Hause fuhr und nie mehr gesehen ward.
Und da gab es eine Bekanntschaft der besonderen Art, die ich in Form von Anhören der Platten meines Bruders durch die Wand machte.
Da lief Janis Joplin und Johnny Winter (den ich bis heute nicht ausstehen kann), so lernte ich Gianna Nannini, Ideal, Beach Boys, Deep Purple, Bruce Springsteen und einiges mehr durch die Wand kennen, und mein kleiner
Kassettenrecorder konkurrierte mit der Lautstärke der Anlage meines Bruders. Mit 14 dann gab es meinen ersten Verstärker und ein Radio, für einen Plattenspieler oder ein Kassettendeck reichte das Geld nicht.
Also, meine Mini-Boxen und mein Radio und Verstärker in Buchform lernten DRS 3 (Schweizer). Da wir in der Nähe der Grenze wohnten, konnten wir ihn empfangen, anfängliche Verstehensprobleme wichen. Bis heute muß ich sagen, daß ich diesen Sender für einen der besten befinde, und ein wichtiger Nichtbestandteil war wohl die Werbung.
Ich muß kurz mal schauen, von wann eigentlich Madonnas "Like a virgin" ist, auf der Platte steht 1984. Diese Sängerin hat sich meiner Meinung nach entwickelt und hat so ziemlich alles mitgemacht, die ersten Auftritte erinnerten wohl eher an etwas provokativ Gruftiges, mit "Material Girl" (Ursprünge stammen, glaube ich, von Police), na ja, auf jeden Fall hat sie immer für Wirbel auf ihre Art gesorgt oder vielleicht war es auch der Wirbel, der gemacht wurde.
So gab es eine Platte, die ich bis heute gut finde, die ich zwar nur ab und zu hören kann, aber trotzdem ist sie gut, und zwar Bruce Springsteen "The river", insbesondere "Hungry heart", "The river" und noch eins, leider kann ich jetzt nicht nachsehen, denn die Platte ist bei meinem Vater im Keller.
"Ich glaube, ich habe mich verlaufen in einem Düngerhaufen" aus Wolfgang Ambros, Prokopetz und Tauchen "Watzmann" und von demselbigen "Extratrommeln, Extratrommeln, ...", "Wo ich geh und steh, brauch ich an Kaffee" aus "Augustin" (nicht so bekanntes Werk der drei).
Oft wach ich schon auf und habe irgendeine Liedzeile im Kopf und versuch herauszufinden, von wem dieses Lied denn jetzt schon wieder ist.
Meine erste Kassette war dann wohl Yes auf der einen Seite, Madonna auf der anderen, dann die zweite Cars "Heartbeat City", die zweite U2 "Under the blood red sky", und die Sammlung erweiterte sich von Woche zu Woche, von A-Z, von Asia - Billy Idol - Cars - Dire Straits - Fleetwood Mac - Genesis - bis Yes und ZZ-Top, aber am Anfang waren es doch wenige.
Im Fernsehen hüpften irgendwelche Leute auf einer Banane durch die Gegend, und Ilja Richter rief "Lights out spot an", ein rosa Auto raste durch die Formel Eins. Ein gezeichneter Hund wippte mit dem Kopf.
Im Jugendhaus konnte man manchmal die Anlage zum Auflegen nutzen und mit ihr auch die Platten und CDs, einerseits legte man dann "BAD" von Michael Jackson auf, und das schon zum zehnten Mal, andererseits Helloween und zwischendrin konnte man dann auch mal Sting, Dire Straits ("Brothers in arms") oder Talking Heads ("Road to nowhere") an den Mann bringen.
In der Disco am Ort (die einzige) lief dann zehn Jahre derselbe Sound, und der hat mich schon in den ersten Stunden nicht beeindruckt, hier ist mir nicht ein einziges Lied mit Namen in Erinnerung geblieben.
Der einzige Plattenladen hat 2002 aufgegeben, wenn ich darüber nachdenke, bin ich froh, daß ich dieses Ödland verlassen habe, eine Oase für Alkohol am Wochenende.
Es ist schon manchmal verblüffend, wie viel Musik eigentlich in einem Leben ausmacht und mit wie vielen Orten man Musik verbindet. Ich könnte jetzt immer weiter schreiben, mir fallen plötzlich so viele Sachen ein, so viele Orte, Unmengen von Konzerten, eins sei noch erwähnt, war, glaube ich, in der Nähe von Stuttgart, und es spielte eine Punkband mit dem Namen 2Bad, und die fand ich wirklich TOO BAD. Diejenigen, mit denen ich dort war, fanden sie klasse.
Ein erwähnenswertes Konzert war Bad Brains in der Schweiz, ich kannte sie nicht, aber ich war von den drei Rastas und dem Sound sehr fasziniert, eine Mischung aus Reggae und Punk, unheimlich gut.
Im Laufe der Jahre sind viele CDs von mir in den Secondhandläden gelandet, um wieder Platz zu schaffen für Neues. Jedoch gibt es viele Sachen, die ich gern höre, auch wenn ich sie nicht mehr mein eigen nenne, denn sie gehören in verschiedene Zeiten, auch vielleicht verschiedene Welten der Gefühle und an viele verschiedene Orte.
Mit der Zeit wurde die Platte zur CD, das Tonband zur Kassette und jetzt zur Minidisk, und doch sind es die Lieder, die das Medium ausmachen nicht die Form der Wiedergabe.
Enit