Wingfoot YEAH! YEAH! WINGFOOT EXPRESS!

Tom Green ist unser Held! Trotz meines Faibles für Oxymorone ein echter Punkrock Hero. Und wir sollten einen ganz besonderen Platz in unseren Herzen für ihn reservieren. Einen richtig schönen Platz mit Aussicht gleich neben Rose Melberg, Dan Gellar, Kori Gardner und Patrick Linsbauer. Aber all dieses Namedropping hat er natürlich keineswegs nötig. Bestimmt kennt ihr ihn und seid jetzt furchtbar gelangweilt.

Das ist fast wie mit Neil Armstrong. Der flog die X-15, war aber nie auf dem Mond.

Wie konnte Green das schaffen?

Tom war eigentlich nur Chefingenieur einer Schraubenschlüssel-Fabrik in Addison/Illinois. Doch Ende 1962 traf er erstmals Walt Arfons, der auf einer Messe in Gary/Indiana einen seiner Düsen-Dragster zeigte. Walt war schon seit mindestens fünfzehn Jahren auf Drag Strips und ausgetrockneten Seen unterwegs gewesen. Nun besaß Green eine gewisse Leidenschaft für Aerodynamik, und wenn daraus kein Interesse am Landgeschwindigkeitsrekord resultiert? Sicherlich hatte seine Erfahrung im Motorsport gewisse Grenzen: Ein Jahr Stock Car Racing in New Mexico vor gut 10 Jahren. Walt und Tom gerieten also in ein Gespräch und "Within ten minutes we were planning our assault on the world's land speed record." Man musste dazu lediglich 394.196mph übertreffen, die der Brite John Cobb mit seinem RAILTON bereits 1947 gefahren war. Arfons mochte Greens Theorien über Aerodynamik, der ihm auch innerhalb von vier Tagen einige Seiten mit Formeln für ein Ultra-Hochgeschwindigkeits-Fahrzeug schickte. Der Drag-Racing-Veteran war begeistert, obwohl Greens ursprüngliche Idee eines einzelnen Vorderrades aufgegeben werden musste - die FIA-Regeln erforderten vier Räder, und entsprechend hatte der Entwurf auszusehen. Darauf basierend fertigten sie ein Balsaholz-Model des Autos an, und ab diesem Zeitpunkt gab es keine Veränderungen am Design mehr.

Nach Greens überlegungen hing das Problem, den Landgeschwindigkeitsrekord zu brechen, zu 80% von der Aerodynamik des Fahrzeuges ab, und die reine Antriebsleistung machte den Rest aus. Folglich beinhaltete sein Design eine möglichst geringe Spurweite und schmälere Reifen als die der Konkurrenz, um die Frontfläche klein zu halten. Der Düsenantrieb war noch immer Neuland, aber seine Vorteile nicht zu übersehen. überschüssige Westinghouse-J46-Triebwerke bekam man damals schon für 400-1000$ pro Stück, und dieser Typ produzierte beträchtlich mehr Schub als nötig war, um auf über 400mph zu kommen. Also bestellte Arfons eines.

Mit fertigem Design und hinreichender Erfahrung stellte nur noch die Finanzierung ein gewisses Problem dar. Also arrangierte man eine Präsentation bei Goodyear, die allerdings bereits Craig Breedloves neue SPIRIT OF AMERICA unterstützten. Arfons und Green, nur mit Kreide und einer Tafel ausgestattet, stellten ihre Theorien vor einem 13-köpfigen Komitee vor. Anhand aerodynamischer überlegungen konnten sie vorhersagen, dass die BLUEBIRD CN7 maximal ungefähr 400mph erreichen konnte, Doc Ostichs FLYING CADUSEUS circa 360, und ihr eigenes Projekt 480mph - die gleiche Geschwindigkeit wie sie auch Breedlove von seinem Fahrzeug erwartete. Green stellte heraus, dass Breedloves Auto zwar eine geringfügig bessere Aerodynamik besaß, ihr Entwurf neben der kleineren Frontfläche aber auch nur halb so viel wog. Abgesehen von der Gewichtsdifferenz spielte auch noch die Leistung eine wesentliche Rolle: Das J46-Triebwerk erzeugte 7000lbs Schub mit Nachbrenner, wogegen es Breedlove mit dem J47 nur auf 4400lbs brachte.

Tatsächlich schaffte Doc Ostich genau die von Green errechnete Geschwindigkeit, jedoch nicht mehr. Goodyear war beeindruckt, und obwohl der Reifenproduzent bereits an Breedloves Team gebunden war, finanzierte er auch das Projekt von Arfons und Green - von nun an WINGFOOT EXPRESS genannt.

Während die SPIRIT OF AMERICA ein Budget von 250.000$ hatte - die BLUEBIRD sogar mehr als ein paar Millionen - schien der Ansatz von Arfons/Green drastisch unterfinanziert. Insgesamt kamen sie auf 78.000$. Walt baute das Chassis und montierte das Triebwerk, wogegen Green für die Karosserie verantwortlich war. Das erforderte tausende Stunden Arbeit in Walts Werkstatt in Akron/Ohio. Sie brachten das Cockpit gleich hinter der Vorderachse an, und das Plexiglas-Sichtfenster reichte vom Kopf bis zu den Füßen des Fahrers. Die Vorderräder wurden durch Aluminium-Radkästen verkleidet, die nicht breiter als das Triebwerk waren. Dagegen ließ man die Hinterräder ohne entsprechende Verkleidung, die nach ihren Berechnungen ohnehin nur 20mph mehr Geschwindigkeit gebracht hätte - und der projektierte Speed lag ohnehin schon 75mph über dem gegenwärtigen Rekord. Der WINGFOOT EXPRESS wurde konventionell über die Vorderräder gesteuert. Zur Unterstützung brachten sie aber über der Nase des Fahrzeugs noch ein winziges senkrechtes Ruder an - fast wie Breedlove, dessen Finne unterhalb der Nase der SPIRIT OF AMERICA aber seine einzige Lenk-Möglichkeit darstellte.

Ursprünglich plante 'Poppy' Arfons, damals bereits dreifacher Großvater, das Auto selbst zu fahren. Aber es sollte eine Beinahe-Katastrophe dazwischen kommen. Sie brachten das fertige Auto zu einem Drag Strip im Mittleren Westen, und Walt setzte einen anderen Fahrer ans Steuer, um die Fahrt von außen beobachten zu können. Es war als Test gedacht und man wollte am Ende der Viertelmeile um die 250mph erreicht haben. Alles schien gut zu laufen, das Fahrzeug raste vielversprechend über die Strecke, aber als die Zwillings-Bremsfallschirme ausgelöst wurden, rissen beide unter dem Gewicht. Das Ende der Strecke kam schnell näher, doch scheinbar ohne die geringste Verzögerung schnitt sich der WINGFOOT EXPRESS mit 200mph durch einen Maschendrahtzaun, querte einen Highway, flog über zwei Straßengräben und grub sich schließlich 25m in ein Waldstück. In den Hinterrädern hatten sich 100m Drahtzaun verwickelt und nur das brachte den EXPRESS zum Stehen. Der Fahrer stieg unverletzt aus, aber als Walt den WINGFOOT sah, erlitt er augenblicklich einen leichten Herzinfarkt. Obendrein hatte man kaum noch einen Monat bis zum gebuchten Termin auf den Salt Flats. Arfons kam ins Krankenhaus, entließ sich aber zügig selbst, um mit den Reparaturen an der Karosserie zu beginnen. Green nahm die Nasensektion ab, befestigte sie auf dem Dach seines Station Wagon und machte sich auf dem Heimweg. "It was ruined, I had to replace all the front body metal". Walts ursprünglicher Plan, selbst zu fahren, war wegen seines Herzproblems ziemlich aussichtslos, und man schrieb die Idee völlig ab, nachdem er sich bei den Reparaturen eine Sehne an seiner Hand durchschnitt. Sie hatten nur drei Tage auf dem Salz gebucht, und mit diesen Aussichten blieb Tom Green nichts anderes übrig, als das Auto selbst zu fahren. Dabei war er noch nie schneller als 130mph unterwegs gewesen. Später erzählte Walt eine etwas andere Version dieser Geschichte: Im Gegenzug für den Bau der Frontpartie durfte Tom Green den Wagen fahren.

Trotz allem schafften sie es, die Reparaturen auf den Punkt fertig zu bekommen, und machten sich auf den Weg nach Bonneville/Utah. Um mit dem Wagen vertraut zu werden, fuhr Green zunächst den als "Parking Area" bekannten Bereich am Ende der geteerten Zufahrtsstraße auf und ab. Erstmals auf der Strecke, erreichte er 236mph, aber diese Erfahrung erschien ihm reichlich unangenehm. Tom hatte nicht erwartet, wie ein Stein in einer Dose durchgeschüttelt zu werden, während er versuchte, den WINGFOOT EXPRESS nahe der schwarzen Markierungslinie zu halten. "The salt was a little rough?" Dazu kamen noch weitere Probleme, wenn man die Geschwindigkeit weiter steigerte: Bei 250mph umschloss ihn die Sitzpolsterung wie ein Druckanzug und bei 275mph schien es im Cockpit zu schneien. Tatsächlich waren umherwirbelnde Salzkristalle eingedrungen. Aber das primäre Problem bestand darin, dass die Plexiglas-Scheibe keinen höheren Geschwindigkeiten gewachsen schien. Das Handling war OK, außer dass sich allmählich eine Vibration in der sehr kurzen Vorderachse einstellte. Es lief erst besser, als man zusätzliche Stoßdämpfer anbrachte. Green erinnert sich, dass er leicht mit einer Hand steuern und mit der anderen den Schub- und Fallschirm-Hebel bedienen konnte. So entfernte er sich auch nie um mehr als knapp zwei Meter von der Markierungslinie.

Der erste Test mit Nachbrenner brachte den Express auf 300mph, aber nach dem Abschalten schien es, als sei jemand auf die Bremse getreten. Real beschleunigte jedoch auch das reguläre Triebwerk das Fahrzeug weiter. Sie erreichten 335mph, als das Triebwerk plötzlich unrund lief. Salzstücke waren von den Vorderrädern aufgewirbelt und von der Turbine angesaugt worden. Sie verklemmten sich in den Turbinenblättern und sorgten für eine Unwucht. Obwohl man alles dafür tat, die Turbinen wieder sauber zu bekommen, reichte die Zeit einfach nicht mehr aus. 1963 sollte es noch nicht soweit sein, und das Wingfoot Team überließ Craig Breedlove die Salt Flats, der mit seiner dreirädrigen SPIRIT OF AMERICA den Rekord auf über 400mph schraubte, was allerdings eine andere Geschichte ist.

Ein Jahr später kehrten unsere Helden zurück, aber der WINGFOOT EXPRESS hatte Schwierigkeiten mit dem Speed. Eine Woche lang überschlug sich das Team förmlich, ohne näher als im Vorjahr an die 400mph zu kommen. Das Triebwerk brachte die erwartete Leistung einfach nicht. Wieder wurde die Zeit immer knapper. Ohne die geringste Verbesserung zu erzielen, hatten bis zu 14 Leute gleichzeitig am Auto gearbeitet, um das Reserve-Triebwerk einzubauen. Schließlich wandte sich Art Arfons an seinen Bruder Walt. Er schlug vor, die Austrittsöffnung der Düse etwas zu erweitern. Die gegenwärtigen 17 inch schienen einfach zu wenig, und der entstehende Gegendruck ruinierte die Performance. überraschenderweise kam dieser Vorschlag von Art, denn es hatte immer eine gewisse Rivalität zwischen den beiden Brüdern gegeben, die angeblich in den 50er-Jahren auch zum Bruch in ihrem gemeinsamen Drag-Racing-Team geführt hatte. Sie erweiterten den Austritt also auf 19 inch, und dies brachte das Triebwerk dann auf seine maximale Leistung. Um noch etwas mehr herauszuholen, entfernte Green noch ein Stück der Karosserie, damit die Ansaugöffnung vergrößert wurde. Zu seinem Schrecken hatte er dabei das Goodyear-Logo verstümmelt.

Zurück auf der Strecke, erreichte der WINGFOOT EXPRESS nun 299mph ohne die 3000lbs Schub des Nachbrenners. Mittlerweile war das Team zeitlich ziemlich knapp dran, und außerdem war sogar Craig Breedlove eigens aus LA eingeflogen, um sich die Konkurrenz anzusehen. Vor einem Probelauf setzte sich Walt zu ihm: "Craig, my car doesn't look as nice as yours, but I think it's going to be pretty fast." Breedlove blickte zum WINGFOOT EXPRESS und entgegnete "Yes, sir, it does look fast." "I know you've worked hard for the record and I really hate to take it away from you so soon," fuhr Walt fort, "but if I don't, Art's going to be right up here whacking away at it, and I don't want that."

Am 2. Oktober kam man dann beim ersten Turn um 16:06 Uhr auf 406mph - mit nur ein paar Schüben aus dem Nachbrenner. Da es langsam zu dunkel wurde und man das Erreichte bewahren wollte, wurde das Auto vor dem zweiten Turn lediglich mit den üblichen 22 Gallonen aufgetankt. Das Team rollte den WINGFOOT an den Startpunkt, der nur 2 Meilen vom ersten Messpunkt entfernt war. Green machte keine halben Sachen und kam auf 420.07mph, was einen Schnitt von 413.20mph ergab. Damit war man um 2% besser als Breedloves alter Rekord auf drei Rädern. Es war ihnen nur noch eine Stunde Tageslicht an ihrem letzten gebuchten Tag auf den Salt Flats geblieben.

Unglücklicherweise konnte sich das Team nicht sehr lange freuen. Schon drei Tage später hatte Walts Bruder Art den Rekord mit seinem GREEN MONSTER in der Tasche. Der WINGFOOT EXPRESS war nun nicht mehr das schnellste Auto der Welt. Obwohl in dem Fahrzeug vielleicht noch mehr Potenzial gesteckt hätte, wollte Tom Green doch nicht weiter seinen Hals riskieren.

'Poppys' zweiter WINGFOOT EXPRESS basierte dann vollständig auf eigenem Design. Als Antrieb entschied er sich für Feststoffraketen, wie sie Transportflugzeuge auf kurzen Startbahnen benutzen. Es sollte nichts nützen.

Deke Logan

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