Was Punk ist.
Der Definitionskatalog wird wieder aufgeschlagen. Punk. Man spricht: Pank. Und er ist maskulin. Mindestens grammatisch. Bis auf die Grande Dame Vivienne Westwood (man muß ihr den Titel gönnen) auch personell. Was weiter? Eine sentimentale Erinnerung? Die Punk-Wannabe-Kampagne von H&M letztes Frühjahr? Die optische (und fast auch musikalische) Remineszenz von PRODIGY, von denen man auch nichts mehr hört? Man ist also auf der Suche. Und der etymologische Landstreicher kann es ja wohl nicht sein. Auch wenn das Referieren auf die schon immer stattgefundene und stattfindende Geschichte ursächlich zum Punk dazugehört: Man bedient sich einer Geschichte, man erfindet eine Geschichte und wird selbst zu einer. Vielleicht ist Punk das.
Und mitten in den Überlegungen schlägt - wieder einmal - Malcom McLaren auf. Nicht mit Mode. Nicht als Produzent. Nein. Dieses Mal als Bürgermeisterkandidat für London, wie man der Wochenendbeilage der Süddeutschen Zeitung vom 12./13. Februar entnehmen kann. Unendlich viel rauchend, unendlich viel redend und als mit der Stadt London seit Generationen verbundener Zeitgenosse. Wer sonst sollte diese Stadt vertreten, wenn nicht der Macher von ANARCHY IN THE U.K., der ehemalige Geliebte der Westwood, der in London schon immer Beheimatete? Was geschieht dem Punk? Er bleibt politisch. Und. Er bedient sich einer Tradition. Seiner Hauptkraft. Das Durchschlagende war nicht das avantgardistische Neue, sondern die Popularisierung einer populären (im Sinne der weiten Verbreitung, im Sinne von populus) Stimmung. Und jetzt wieder. Gegen Tony Blairs Politik der Mitte, die wieder etwas anderes meint als die Mitte ( wieso erkrankte die Mitte so extrem an Grippe?) setzt McLaren ein ursächliches Interesse: die Vertretung der Londoner. Er könnte Erfolg damit haben, weil er nicht dogmatisch ist. Weil das Interesse einer breiten Schicht sein persönliches Interesse ist. Weil sich hier etwas trifft, das ursächlich demokratisch ist. Eine Volksvertretung. Das sieht in verschiedenen Stadien der Gesellschaft verschieden aus. Ist aber immer der sich wandelnden Gesellschaft und nicht der Mode verpflichtet. Das macht die Definition schwer. Entzieht sich einer feststehenden Ikonograpie. Und ist deshalb schlagend gut. Weil es sich am politischen System im Sinne eines Heraufschwemmens virulenter Konflikte und Interessen beteiligt. Was also ist Punk? Was also fehlt in der Auseinandersetzung mit Haider? Mit den CDU-Bestechungsgeldern? Sie haben es erraten.
Sonja Bachmann
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14. Februar 2000
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