Organisierter Widerstand
Jean Bach: Homofotze No01 (CD, Hexenkessel 001)
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Auf diese Weise endet die Welt
Nicht mit einem Knall - mit Gewimmer
T.S. Eliot
Viele Musiker sagen, tagsüber könne man keine Musik machen. Wenn man Nachtschicht arbeitet, muss das wohl anders sein. Wenn man sich während der Nachtschicht von einem Arbeitskollegen als "Homofotze" beschimpfen lassen muss und nicht der Typ ist, der dann sofort zuschlägt, muss es wohl noch mal anders sein. Und dann geht man nach Hause, überwach von der Übermüdung, aufgeputscht von der Wut im Bauch, kommt in die Wohnung, in der die viel zu helle Morgensonne steht, mit den viel zu lauten Vögeln vor dem Fenster. An Schlaf ist nicht zu denken, und der Typ, der jetzt was kurz und klein schlägt, ist man eben nicht. Also schließt man den Rollo, schaltet den Sampler ein und fährt den Rechner hoch.
So viel zur Vorgeschichte von Jean Bachs neuem Album Homofotze Nr01. Ein Protestalbum, wie der Künstler selbst sagt, nicht weil es aus Protestsongs besteht - was ja immer nur eine textinhaltliche, nie eine musikalische Beschreibung ist - , sondern weil das Machen des Albums selbst eine Geste des Protests gegen einen hässlichen Alltag ist, die diesem eine Klangmasse entgegenstemmt, die ebenfalls hässlich ist, aber im Unterschied zu dem von Dienstplänen und mobbenden Kollegen bestimmten Alltag selbst organisiert ist. Hässlich kommt von Hass, und der Hass auf diesen Alltag wird hier hörbar, indem jede Art von Harmonie, von Wohlklang, von Konvention überhaupt, zerstört wird, indem alle Sounds, die die Software hergibt, so übersteuert werden, dass sie nicht mehr nach Drumcomputer oder sonst einem Instrument oder gar einem musikalisch notierbaren Ton klingen, sondern nach Störgeräusch. Erst nachdem dadurch dem System der Musik, stellvertretend für alle anderen Systeme, das Einverständnis aufgekündigt ist, geht Jean Bach daran, sein Nicht-Einverständnis zu artikulieren, indem er die Geräuschmassen rhythmisch strukturiert.
Doch es ist nicht nur der Rhythmus, der dem Album seine Konturen gibt, einem Album übrigens, das wesentlich weniger monoton ist als der Arbeitsalltag. Es ist erstaunlich, wie vielfätige Klangfarben die experimentelle Zerstörung von Klängen hervorbringen kann, die per Konvention als musikalisch anerkannt sind. Das Credo der Elektroakustiker, dass intelligent arrangierte Geräusche allemal besser klingen als schlechte Musik, wird von Jean Bach jedenfalls eindrucksvoll belegt. In Stücken wie mapf, fast eddie und neppoeh220 scheint sich die Methode der elektroakustischen Musik sogar umzudrehen: anstatt dass aus Umweltgeräuschen musikalische Strukturen gewonnen werden - wie z.B. auf Jean Bachs LP Go Train Go aus Zuggeräuschen - meint man hier in dem programmierten Beat plötzlich eine wildgewordene Maschine zu hören. Der Klang des Alltags wird mit seinen eigenen Mitteln überboten.
Franz Dobler schreibt in Sterne und Straßen über Throbbing Gristle, dass die Band "vielleicht keine Musik machte, sondern die Geräusche, die der Tod bei der Arbeit macht, zu übersetzen versuchte". In diesem Sinne ist wohl auch Homofotze Nr01 eine Übersetzung des Geräuschs, das Menschen beim Menschenverachten machen, das die Arbeit beim Menschenschinden macht, das der Kapitalismus beim Ausbeuten macht ... This is the way the world ends: Not with a bang but a mundfickloop. Einem verfremdeten Pornoclip, der die Obszönität der Wirklichkeit hörbar macht.
Dieses Album ist vielleicht das extremste, auf jeden Fall aber das konsequenteste von Jean Bach, in dem praktisch alle Spuren von Musik getilgt sind und erst aus dem so entstandenen (psycho)akustischen Abfall des Alltags wieder ästhetisch verwertbares Material gewonnen wird. Dass er es unter dem Labelnamen "Hexenkessel" vertreibt, wirkt stimmig, weil es sich um einen Abwehrzauber gegen schlechte Menschen und schlechten Geschmack handelt.