Krach von den Rändern
Hjarljuchte: 9 pieces for, CD
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Unterschätzt mir nicht die so genannte Provinz: Das Duo Hjarljuchte, dessen Name ebenso schwierig auszusprechen ist wie seine Musik in gängige Hörschemata passt, beweist so viel radikalen Forschergeist, wie man ihn in London (Throbbing Gristle), New York (Sonic Youth? Na, vielleicht doch eher LaMonte Young) oder auch Berlin (Einstürzende Neubauten - von diesen zum Glück durch die Abwesenheit von Text angenehm unterschieden) nur je gefunden haben mag.
Die neun aneinander anschließenden Tracks des Albums 9 pieces for (schon der vage Titel zeigt, worum es hier geht: musikalischer Aufbruch ins Offene - wofür die Stücke sind, muss die Hörerin herausfinden, das ist, in einer Art Freejazz-Existenzialismus, die Herausforderung an sie) bestechen bei all ihrer Abstraktion durch die - wenn auch nicht immer gleich gut durchgehaltene, manchmal durch etwas zu lang durchgenudelte Krachattacken, wie in germ attack, zerdehnte - Dynamik zwischen brutal-maschinellen und subtilen, fast schon der Natur nachempfunden wirkenden Sounds.
Dieses Verhältnis wird überlagert von der Dialektik zwischen elektronischem bzw. elektrischem Krach, digital-immateriellen Sounds und jenen Klängen, die Spuren jener Körperlichkeit bewahren, die bezüglich der Rockmusik ja gerne so betont wird - hier wird nämlich, wie mir scheint, ziemlich viel mit Gitarren gearbeitet. Die werden indes gründlich dekonstruiert. Und dies bringt einen doppelten Gewinn: einerseits triumphiert hier eine wirklich experimentelle Intelligenz über konventionelle Musikvorstellungen, andererseits zeigen Hjarljuchte, wie viele unterschiedliche Klänge man einer Gitarre entlocken kann, wenn man sie gar nicht als solche spielt. Wenn man diesen Weg verfolgt, kann man sich mit ausreichend Geduld wahrscheinlich seine eigene Musikkultur erfinden.
Für alle Geräusch- und Industrialinteressierten unbedingt empfohlen. Für alle anderen erst recht.

gebrauchtemusik

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