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Man braucht einfach eine Auszeit ohne Technik - eine "technologiefreie Ausbruchsmöglichkeit". Auf einem Flug nach Großbritannien erzählte mir eine Mitreisende aus Boston, sie sei froh, vom Computerprogrammieren wegzukommen und sehe mit Freude einem strahlungsfreien Urlaub in Irland entgegen.
Mein nächster Gedanke - Eine moderne Großstadt legt den Kontext für den Stadt-Park fest, wie z.B. den sagenhaften Central Park in New York. In dem Maße, wie Arbeit und Spiel von immer komplexerer Technik geprägt werden, rücken auch gänzlich entgegengesetzte Erfahrungsweisen ins Blickfeld. Die Annehmlichkeiten, die uns früher wahrscheinlich selbstverständlich erschienen, werden uns stärker bewusst - die Bäume, saubere Luft, klares Wasser... sogar Stille!
Diesmal müssen wir sie bezahlen. Das ist eine positive persönliche Investition in eine Zukunft, die ein besseres Leben jenseits der Verpackungen bedeutet. In meinem eigenen Leben stellt diese Investition eine Idee dar, die mich 1993 inspiriert hat: Healthy Concerts (Gesunde Konzerte) - ein neuartiges Projekt für gemeinschaftsfördernde Unterhaltung in Brighton und England, wo ich lebe.
Klein ist fein:
Stellen Sie sich folgende schöne Aussicht vor: Menschen versammeln sich in kleinen Gruppen in ihrer Nähe (nebenan oder um die Ecke) an Veranstaltungsorten von bescheidener Größe (das Wohnzimmer eines Nachbarn!), um eine einfache und natürliche Erfahrung zu machen - nämlich, um den Klängen akustischer Musikinstrumente zu lauschen, unter denen die menschliche Stimme oft eine herausragende Stellung einnimmt, und um die Vielfalt von Kommunikation und Gemeinschaftsgefühl zu genießen, die angeregt wird durch dieses gemeinsame Ziel - Healthy Concerts.
Healthy Concerts bringen Menschen zu echten unplugged-Konzerten zusammen, mit akustischer Musik in offenen Häusern und Gärten ohne Mikrofone. Keine Hinweise auf große oder laute Bands, kein Rauch und keine Mengen von Alkohol.
Wenn man den Finger auf den Puls der Zeit legt, kann man folgendes feststellen: einerseits zeigt sich eine wachsende (und bislang unterversorgte) Minderheit der Bevölkerung zunehmend aufgeschlossen gegenüber Ideen und Möglichkeiten für einen gesunden Lebensstil. Andererseits könnten sich nach wie vor die meisten Leute (in Großbritannien) nicht mit der Idee anfreunden, dass es an einem Ort, wo Musikveranstaltungen stattfinden, keine Bar im klassischen Sinn gibt.
Naturgemäß ist Healthy Concerts in erster Linie familienfreundliche Unterhaltung. Doch es bietet auch Raum für Konzertreihen, mit entsprechender Werbung und bestimmten Stilrichtungen, die speziell ein junges Publikum für neue Musik gewinnen wollen. Gigs in Digs (Konzerte in Wohnungen) & The Big Night In ('Groß Reingehen') sind entspannte und zeitgemäße Ansätze, mit denen es regelmäßig gelingt, ausverkaufte Wohnzimmer mit etwa 35 Leuten zu füllen. Wir lernen das Unerwartete zu schätzen; die Künstler gehen auf Wohnungstournee - die Gäste gehen auf eine Musical Mystery Tour, eine Art musikalische Schnitzeljagd. Gartenkonzerte, umrahmt von zwei geführten Landspaziergängen, haben sich als echter Hit erwiesen, ebenso musikalische Touren von Haus zu Haus!
Meine These ist, dass in England SängerInnen, Songs und SongschreiberInnen in der Regel keine direkte Ausdrucksmöglichkeit innerhalb der Gemeinschaft finden. Es scheint, als sei irgendein Vehikel, z.B. ein eigenes Album oder eine Band, die Voraussetzung dafür, öffentlich auftreten zu können (ich halte Straßenmusik nicht für eine glaubwürdige Alternative). Viele unserer jungen (und älter werdenden!) einheimischen Singer/Songwriter haben sich gezwungen gesehen, in den Kategorien Groß und Laut zu denken, weil ihnen eine attraktive und dankbare Akustik-Szene fehlt.
In Brighton ändert sich das. Healthy Concerts säen hier seit April 1994 mit Musik in offenen Häusern die Saat eines Akustik-Revivals. Die immense Zahl kreativer Bühnenkünstler, die dort bereits aufgetreten sind, zeugt davon, dass diese neue Möglichkeit, in einer intimen Atmosphäre mit einem Live-Publikum zu kommunizieren, noch nie da war und sehr willkommen ist.
Darüber hinaus stellen die spezifischen Eigenschaften der Wohnungen als Veranstaltungsorte mit Sicherheit eine Herausforderung dar, was Repertoire und Kommunikationsfähigkeit angeht. Für SängerInnen, die die übliche Club- oder Kneipenumgebung gewöhnt sind (in der Regel eine equipmentlastige Szene), kann es ein echtes Problem darstellen, ihrer Stimme genug Reichweite zu geben. Die Künstler passen sich den Gegebenheiten an & lernen, diese Herausforderung zu meistern. Ich bin der Überzeugung, dass wir Musik hier so hören, wie man sie sonst nicht hören würde - es besteht ein qualitativer Unterschied.
Schweden und Österreich sind fast gänzlich ökologisch (ich denke natürlich an die landwirtschaftliche Anbaupraxis dieses Namens!). Uns allen ist mittlerweile eine ganze Reihe von Produkten vertraut, die diesen Namen tragen. Ich denke, Healthy Concerts ist das kulturelle Gegenstück zu ökologischer Landwirtschaft und ich lade Sie ein, vorbei zu kommen und den Unterschied zu hören.
Paul Chi
In den USA sind Hauskonzerte bereits wesentlich weiter verbreitet. Infos über Hauskonzerte in USA finden Sie hier
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Paul Chis Alben Boston and Back und You're One Of Us werden bei gebrauchtemusik vorgestellt.